dbh Vorstand Marco Molitor im Interview
Stets auf der Suche nach der nächsten Herausforderung
Herr Molitor, seit 2011 sind Sie Vorstand der dbh Logistics IT AG. Warum haben Sie sich vor zwölf Jahren für das Unternehmen entschieden?
Zuerst einmal muss ich dazu sagen, dass ich zwar seit 2011 im Vorstand tätig bin, aber nicht erst seit zwölf Jahren im Unternehmen. Ich war bereits von 2001 bis 2009 im Betrieb, bin also nach einer kurzen Unterbrechung zurückgekehrt.
Können Sie uns das näher erläutern?
Für mich stand früh fest, dass ich aufgrund der Tatsache, in einer Hansestadt zu wohnen, einen kaufmännischen Beruf erlernen möchte. Nach meiner Ausbildung zum Speditions-Kaufmann und dem Studium der Verkehrswirtschaft an der Deutschen Außenhandels- und Verkehrsakademie (DAV) war ich in einem Handelsunternehmen tätig. Im Jahr 2001 hörte ich dann erstmalig, dass das Bremer Unternehmen dbh ein neues Segment, die Zoll-Software, ausbauen wollte. Da ich schon seit jeher die Herausforderung gesucht habe, bewarb ich mich. Mein Familien- und Freundeskreis hielt mich zu der Zeit für verrückt, denn ich konnte nicht eine Code-Zeile programmieren. Und trotzdem musste es die Bewerbung bei einem IT-Unternehmen sein…
Das klingt in der Tat wagemutig. Wie ging es danach weiter?
Es war eine komplett andere Welt, in die ich reingerutscht bin. Ich war im Customer Support tätig. Dort gab es aufgrund der seinerzeit nur fünf Zoll-Kunden zwar wenig zu tun, aber umso mehr zu gestalten. Einen Vertrieb hatten wir nicht, also übernahm ich das und habe – wenn ich nun zurückblicke – jede Abteilung quasi einmal durchlaufen. Mit der Zeit wurden die Fragen und Anforderungen des stetig wachsenden Kundenstamms komplexer und anspruchsvoller. Irgendwann kam dann allerdings für mich der Zeitpunkt für neue Anreize.
Was heißt das konkret?
Zu dem Zeitpunkt, das war 2009, habe ich für mich bei dbh keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr gesehen. Also wechselte ich in ein Unternehmen ins Ruhrgebiet und pendelte zwei Jahre lang zwischen drei Büros in Nürnberg, Dortmund und Koblenz. Es war eine intensive Zeit – meine Frau war in Bremen wohnen geblieben –, die mich zwar sehr gefordert, mir aber sehr viel Freude bereitet hat. 2011 trat dann der dbh-Aufsichtsrat an mich heran und fragte, ob ich nicht Interesse an einer Führungsposition hätte. Das klang sehr spannend, also bin ich nach Bremen zurückgekehrt und habe gemeinsam mit Reimund Ott den Vorstand übernommen.
Was waren die größten Herausforderungen in 50 Jahren dbh?
Eine der größten Umstellungen war mit Sicherheit der Mentalitätswandel unter den Mitarbeitenden – Stichwort New Work. Agileres Arbeiten, flachere Hierarchien und die damit einhergehende größere Verantwortung innerhalb des Teams: Die Steuerung dieser Prozesse und die Sicherheit, jede Kollegin und jeden Kollegen bei diesem Prozess mitzunehmen, diesen Wechsel zu managen – das war nicht immer leicht, aber wir haben das aus meiner Sicht gut umgesetzt.
In Bezug auf unsere Kund:innen war die Problematik vielmehr, die jeweiligen Bedürfnisse zu erkennen und stets mit der richtigen IT-Lösung um die Ecke zu kommen. Veränderungen im Markt zu erkennen und frühzeitig IT Lösungen dafür zu haben ist sicher eines unserer Erfolgsrezepte.
Wie bewerten Sie die Position von dbh auf dem Weltmarkt im Jahr 2023?
Aktuell haben wir 300 Mitarbeitende, planen 30 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2023 in drei Geschäftsbereichen (Industrie und Handel, Schifffahrt und Hafen, Spedition und Logistik). Wir sind kein Global Player, obwohl wir zu den Marktführern in allen Bereichen gehören und auch international aktiv sind. Ich würde uns dennoch eher als Local Hero bezeichnen. Unsere Stärke war und ist es immer noch, unseren Kunden zuzuhören, Lösungen zu schaffen mit denen jeder Anwender gut zurechtkommt, die jeweiligen lokalen Bedürfnisse abgedeckt werden und diese Lösungen dann vielen Kunden zugänglich zu machen. Das kann kein Global Player und grenzt uns daher deutlich ab.
Wenn Sie nicht gerade in Sachen Digitalisierung, sprich im Berufsleben, unterwegs sind: Wie und wo verbringen Sie Ihre Freizeit?
Am liebsten auf der Straße und auf dem Wasser – mit der italienischen Diva und der Ginza. Das muss ich sicher erklären: Mit meiner alten Vespa aus dem Jahr 1963 unternehme ich gerne spontane Ausflüge in die Umgebung. Allerdings schraube ich mehr, weil sie nicht immer so will wie ich – daher rührt der Spitzname. Die Ginza ist unser Boot, benannt nach einem Stadtteil in Tokio. Meine Frau und ich verbringen sehr viel Zeit auf dem Wasser, unsere bevorzugten Ziele sind die Nord- und Ostsee.
Noch einmal zurück zu 50 Jahren dbh: In dieser Zeit gab es doch mit Sicherheit die eine oder andere kuriose Anekdote…?
Ich war zwar selbst nicht vor Ort und die Geschichte ist mehrfach überliefert, von daher im Bereich der Legenden anzusiedeln: Etwa 2005 hatte ein Mitarbeiter versehentlich den Alarm ausgelöst. Dieser ging seinerzeit direkt bei der Polizei ein, dort wurde das Wort „Bank“ in unserem damaligen Unternehmensnamen missverstanden. Ehe sich der Mitarbeitende versah, war das komplette Gebäude mit allem, was die Polizei aufbieten konnte, umstellt, alles wurde abgeriegelt. Ein anderer, hinzugezogener Mitarbeiter konnte das Missverständnis dann auflösen.
Was sicher ebenfalls kurios anmutet: Der erste Server in unserem Betrieb kostete 300.000 Euro – allerdings Miete im Monat! Dabei besaß er gerade einmal eine Leistung von 1.024 Kilobyte und war so schwach, dass wenn tagsüber produktiv auf dem Server gearbeitet wurde, nur nachts programmiert und getestet werden konnte. Zum Vergleich: Ein Smartphone bringt heute rund 128 Millionen Kilobyte Leistung.
Was erhoffen Sie sich für die Zukunft des Unternehmens dbh oder vielmehr: Welche Wünsche möchten Sie den Mitarbeitenden auf den Weg geben?
Ich verspreche mir von den nächsten Jahren oder auch Jahrzehnten, dass es uns erfolgreich gelingt, die digitale Transformation mitzugestalten und wir weiterhin zu den Marktführern in Sachen Digitalisierung gehören. Profitabel wachsen in den vorhandenen Segmenten: Das ist unser Ziel. Dabei sind wir nicht einfach nur ein IT-Unternehmen, was wir bei dbh jeden Tag tun ist wichtig. Wichtig für den Hafen, den Außenhandel und die Logistik, aber auch wichtig in dem Sinne, dass wir unseren Kunden helfen bei der Digitalisierung mitzuhalten und neue Möglichkeiten zu erkennen. Ich wünsche uns, allen Mitarbeitenden und auch Kund:innen der dbh Logistics IT AG, dass wir uns stets dafür unsere Leidenschaft bewahren.
Marco Molitor, Vorstand der dbh Logistics IT AG, © dbh